Sieben Stopfeier    collage 20180202fra
Sieben Stopfeier collage 20180202fra

 

 

 

G es ch icht s l o s

 

 

Manch eine Sache hat ein Gesicht, von dem man froh wäre, nicht von ihm angesehen zu werden, und doch grinst es einen impertinent an.

 

Doch meist kommt es ganz anders, als man selbst es sich erhofft.

Hatte die Visagist / der Visagistin nicht die Aufgabe erhalten, die physiognomischen Furchen der Sache aufzuhellen und das Gesamte in einen samtigen pfirsichfarbenen Farbkanon zu tauchen?

 

Eine monochrome Erscheinung entstand, ohne Überhöhungen und Vertiefungen und doch, weil skulptural, drei dimensional, wenn man es für nötig hielt, sich quasi selbst kreisend einzugarnen, einem Kokon gleich.

 

Die Hoffnung, es würde sich ob des Kokons jetzt in einen leichten wunderschönen Schmetterling verwandeln, wich der Tatsache, die Konturen, weil mit Einheitspampe geglättet, nicht mehr unterscheiden zu können. Mund, Nase, Ohren, Augen und Moral schienen ausradiert zu sein.

 

Das Gesicht der Sache war kein Gesicht im eigentlichen Sinn.

Es glich einer glatten, ellipsoiden Fratze ohne Überhöhungen und Vertiefungen; ein sogenanntes Überraschungsei also, allerdings bar jeder kindlichen Freude im Inneren.

Es gab nämlich keine Hohlstellen im Inneren, der Ellipsoid war bis auf das Letzte ausgefüllt mit dem Material, aus dem auch seine geglättete Haut gestaltet war.

Keine zerbrechliche Schale außen, sondern hart wie ein hölzernes Stopfei, mit dem unsere Ur- und -großmütter einst die entmaterialisierten Löcher in den von ihnen selbst gestrickten Strümpfen wieder materialisierten. Es wurde nichts entsorgt.

Die Strümpfe hatten sozusagen den Status von Privatpatienten, Abrechnung, wenn überhaupt, zum einfachen Satz.

 

Ein Naturei hat kein Gesicht.

Vieles hat kein Gesicht, ist gesichtslos, demnach nicht erkennbar, deshalb unverdächtig und nicht zu belangen.

Und doch kommt ihm manchmal sklavenhafte Drittmittelförderung zu Gute, was dazu führt, aus der gewünschten Arbeit eine bestens honorierte Auftragsarbeit zu machen. Ohne Freiheit im Tun, Denken und in plumper Erfüllung des Auftrags.

Das Kunststopfen des Strumpfes bedurfte damals hoher künstlerischer Fähigkeit der Ur- und -großmütter, das ausdrieselnde Loch war nicht mehr aufzufinden.

 

Darüber wird gerade viel geschrieben. Auch ich kann nicht an mich halten.

Man kann unter falschem und unmoralischem Vorsatz viele Dinge entwickeln, die dann der Beweisführung gegen das eigene Fehlverhalten dienen sollen.

Tiere und Menschen in geschlossenen Kanistern mit schlechter Luft zu beatmen erinnert an verbrecherisches Tun im Tausendjährigen Reich.

Würden künftig weitere Versuche dieser Art erforderlich sein, dann sollten die ProbandenInnen aus der Kaste der Aufsichträte und Vorstände per Los gewählt werden und sich zum Beatmen freiwillig und ohne Umschweife in den gasgefüllten Kanistern einfinden.

Ob sie darin dann ihre furchenfreie Haut und ihren pfirsichfarbenen Teint retten könnten, wäre die Versuche wert. Nach Meinung der Aufsichtsratsvorstände und ihrer Auftragforscher stellt diese Art von Beatmung ja keinerlei Gefahr dar. Dann bräuchte es nicht einmal einen Funken Mut, sich zur Verfügung zu stellen.

 

Für das eben getane Auftrags-Gasen an Testpersonen kann die Belohnung der hohen Kastenmitglieder nur eine satte Freiheitsstrafe sein.

 

In der Gegenwart solcher Menschen war und ist es mir unmöglich zu sprechen und handschriftlich zu schreiben. Mir fehlt dann die notwendige Atemluft dafür.

 

Deshalb auf diesem Wege, aber ohne automatische Rechtschreibkultur. Etwaige Fehler ändern nichts an der Meinung des Verfassers.

Wie gerne hätte ich meine Handschrift verwendet, mit Tusche auf der guten alten Gohrsmühle mit Wasserzeichen.

 

 

Heinz Franke

München, 01.02.2018